An Lok 12 wurde den Winter über eine Hauptuntersuchung an Kessel und Fahrwerk durchgeführt, die auch Anfang April erfolgreich geprüft und abgenommen wurde. Soweit so gut! Machen wir also eine Probefahrt, damit sicher ist dass die Lok zum Saisonbeginn funktioniert. Und dann geschah es. Ein Stehbolzen ist gerissen. Nicht irgendeiner, sondern einer an der Stiefelknechtplatte - origineller Name für die Kesselwand, die den Stehkessel nach vorne unten abschließt. Die demgemäß direkt vor dem Wasserkasten ist, wo man nicht hinkommt. Und: daneben war schon von früher ein Stehbolzen schadfhaft, und zwei von der Sorte sind nicht tolerabel. 

Also: Kessel muss runter und repariert werden!

Was dann folgte, kommt hier als Bildergeschichte (Text und Fotos, soweit nicht anders vermerkt: Dr. Walter Gekeler):

22. April: Zunächst mussten alle Leitungen und Verbindungen zwischen Kessel und Fahrwerk bzw. Führerhaus getrennt werden. Meistens ging das mit Schrauben, in der Rauchkammer aber waren die Schrauben von Hitze und aggresiver Lösche so verbacken, dass die Schlauchschere (Werkstattjargon für den Schneidbrenner) eingesetzt werden musste.

Dann, das sieht man hier, musste natürlich noch das Kesselwasser abgelassen werden. Macht ansonsten grade so recht den Eindruck eines mid-19th-century-british-steam cabrios.
Dann wurde der Kessel abgehoben. Wie immer wacht die Abtei mit Würde und Geläut über das (über dem?) Geschehen. 
Hier steht der Kessel zur Reparatur aufgepallt.
Die schadhaften Stehbolzen wurden abgeschliffen und herausgeschlagen. Wenn schon zwei gerissen sind, sind die Anderen nicht weit davon. Wenn man also schon mal anfängt ersetzt man alle 36 Stück an der Stiefelknechtplatte. Kann man hier an der Form erkennen, warum die so heißt?

Dann werden neue Stehbolzen abgelängt und eingesetzt. Das sind einfache Rundstäbe mit einem dünnen Loch, oder anders ausgedrückt Stahlrohre mit sehr dicker Wand, die stumpf eingeschweißt werden. Das Loch wird an der Außenseite verschlossen. Wenn nun wieder ein Riß auftritt, rinnt Wasser innen auf der Feuerbüchsseite aus der Bohrung und zeigt so den Schaden an. Die Bohrungen werden deshalb übrigens bei Untersuchungen saubergebohrt, damit sie nicht von Schmutz verstopft sind.

Zum Bild (Foto: Ingo Adam) am 11. Mai: ein für Kesselschweißarbeiten akkreditierter Fachmann führt die Schweißarbeiten aus.

Abschließend wurde eine Wasserdruckprobe durchgeführt: alles dicht! Gut gemacht ist ganz gewonnen.
13. Mai: nun wird das Fahrgestell zum Zusammenbau bereitgestellt. Man spricht bei der Vereinigung von Kessel und Fahrgestell von der "Hochzeit". Es ist ja im Leben einer Dampflok ein sehr wichtiger Moment, auf Dauer angelegt, bis die beiden wieder getrennt werden müssen. Hier wird also bildlich die Braut zum Altar geführt. Und wieder schaut die Abtei von oben herab, dass dies Alles mit Gottes Segen geschehen und zu einem guten Ende führen möge.  
Sodann wird der Kessel eingeschwebt. Mit vereinten Kräften wird die Braut, ähem, das Fahrgestell  in Position gebracht. 
Im Ernst: das ist Millimeterarbeit! Bis da alles an den Ecken und Kanten vorbeipasst und in seinen Sitz gleitet. 
Und auch ein Ring wird aufgesteckt. Es ist die Dichtungslinse für das Dampfeinströmrohr in der Rauchkammer. Dass mir da keiner seine Fingerlein einklemmt!

Nun muss man sich erinnern, was alles wo abgebaut worden war und wo es nun wieder hingehört. Alle Leitungen schön sauber und durchgängig machen. Alle Anschlüsse mit neuen Dichtungen versehen. Die meisten Verbindungen bekamen neue Schrauben, die alten waren abgeschweißt oder sonst unbrauchbar. Es kann also nicht sein, dass da wie sonst oft gewitzelt wird zum Schluss ein paar Schrauben übrig blieben. Es waren derer viele!

Wir haben alle Teile die rumlagen wieder untergebracht. Sowieso ist kein einziges unnötiges Teil an so einer Lok, alles hat seinen erkennbaren Zweck.
13. Mai, abends 20 Uhr: Uff! Fertig! Man kann nicht gerade behaupten, dass Ingo Adam, der Leiter des Ganzen, hier recht  glücklich schaut. Er war aber hoch zufrieden mit der Leistung der Mannschaft.

Na ja, nicht so ganz. Es fehlen noch Restarbeiten an der Technik. Man sieht auch, dass noch die eine oder andere kosmetische Schönheitsmaßnahme erforderlich ist, sowohl an der Braut als auch vor Allem am Bräutigam. Die Sonne strahlt mit abendlicher Güte über dem Ganzen, Gottes Segen war mit uns.

Drücken Sie die Daumen! Es ist ja auch noch ein Probeanheizen und eine Testfahrt erforderlich, damit die Lok dann wieder dem Betriebsdienst übergeben werden kann. Zeitziel dafür ist der Doppelfahrtag an Pfingsten.
Derweil muss oder darf der "JUMBO" den Holzklassezug ziehen. Hier, am 14. Mai anlässlich des Tages "Wandern und Entdecken" zum 50jährigen Kreisjubiläum des Ostalbkreises, gleichzeitig auch zum Muttertag und damit familienausflugsgeprägt, war ein ganz schöner Fahrgastandrang zu verzeichnen. Hat unser mit 500 PS stärkstes Fahrzeug natürlich souverän bewältigt.